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Windenergie 02.06.2025, 11:30 Uhr

Alte Windenergieanlagen nutzen: Digitaler Zwilling hilft bei Entscheidung

Wie lange lassen sich Windenergieanlagen nach dem Ablauf ihrer vorgesehenen Nutzungsdauer weiterbetreiben? Ein digitales Tool der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) könnte Windparkbetreibern künftig bei dieser Entscheidung helfen.

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Ein digitales Tool soll Betreiber von Windparks bei der Entscheidung unterstützen, ob sie ältere Anlagen weiterbetreiben sollen oder nicht.

Foto: BAM

In Deutschland stehen jährlich hunderte Windenergieanlagen vor der Entscheidung, ob sie nach Ablauf ihrer vorgesehenen Nutzungsdauer weiterbetrieben oder ersetzt werden sollen. Allein im Jahr 2024 wurden 555 Onshore-Anlagen stillgelegt, während 635 neue in Betrieb gingen. Technische Untersuchungen zeigen jedoch, dass viele ältere Anlagen noch sicher und leistungsfähig genug sind, um weiterhin genutzt zu werden.

Die Entscheidung über den Weiterbetrieb oder Austausch solcher Anlagen ist komplex. Sie hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die strukturelle Integrität der Tragwerke, wirtschaftliche Überlegungen und regulatorische Anforderungen. Besonders im Offshore-Bereich, wo moderne Windturbinen bis zu 20 MW leisten, ist die Abwägung zwischen Ertüchtigung und Neubau anspruchsvoll.

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Windenergieanlagen: Unterstützung für Betreiber

„Bislang werden Unternehmen, die Windparks betreiben, mit dieser Entscheidung allein gelassen“, beschreibt Ronald Schneider vom Kompetenzzentrum Wind@BAM die Motivation zur Entwicklung eines Tools. „Jede Demontage bindet gleichzeitig knappe Ressourcen bei der Herstellung und bei Installationsfirmen sowie bei den Schiffen, die Offshore-Anlagen transportieren.“

Um Betreiber bei dieser Entscheidung zu unterstützen, entwickelt die BAM gemeinsam mit den Unternehmen Jörss-Blunck-Ordemann GmbH und der RWE Renewables ein digitales Entscheidungstool. Dieses Tool soll alle relevanten Aspekte berücksichtigen und ein einfaches Baukastensystem bieten, mit dem Betreiber in wenigen Schritten die optimale Entscheidung treffen können. Das Tool wird an einen digitalen Zwilling der Anlage gekoppelt, in den über Sensoren und Monitoring-Systeme aktuelle Daten zum Erhaltungszustand einfließen. Zeigt das Tool Schwachstellen auf, bietet das Kompetenzzentrum Wind@BAM konkrete Lösungen zur Ertüchtigung der Tragstrukturen an.

Gebündeltes Wissen rund um Windenergieanlagen

Die Entwicklung dieses Tools wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit rund 780 000 € gefördert. Es wird derzeit an einem Offshore-Windpark in der Nordsee auf seine Praxistauglichkeit geprüft. Das Kompetenzzentrum Wind@BAM bündelt die Expertise der BAM im Bereich der Windenergie.

Es fokussiert sich auf mechanisch beanspruchte Komponenten wie Rotorblätter, Tragstrukturen und Fundamente. Mit einer neuartigen Infrastruktur können dort Großbauteile auf Festigkeit, Ermüdung und Dauerhaftigkeit getestet werden. Zudem werden Herausforderungen durch Korrosion bei Offshore-Anlagen untersucht und geeignete Schutzmethoden entwickelt. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Forschung zu innovativen Leichtbaumaterialien und hochfesten Stählen sowie der Optimierung entsprechender Schweißtechniken. Durch den Einsatz sensorbasierter Messtechnik und innovativer zerstörungsfreier Prüfverfahren wie der passiven Thermografie wird das Monitoring von Windenergieanlagen verbessert. Diese umfassende Herangehensweise macht die BAM zu einem starken Partner für Industrie und Wissenschaft im Bereich der Windenergie.

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Lebenszyklus von Windenergieanlagen digitalisieren

Die BAM engagiert sich generell in der Digitalisierung des Lebenszyklus von Windenergieanlagen. Durch die Abbildung vollständiger Prozessketten – von der Konstruktion über die Fertigung bis zur Bewertung der Lebensdauer – sollen ganzheitliche Prognosemodelle für die Restlebensdauer von Windenergieanlagen entwickelt werden. Intelligente Messdatenerfassung und -verarbeitung am realen Bauwerk ermöglichen eine präzise Zustandsüberwachung und tragen zur Verlängerung der Betriebsdauer bei.

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