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Neue Konzepte zur nachhaltigen Wasserstoffgewinnung durch Biohybride 26.06.2025, 16:00 Uhr

Mini-Katalysator mit Enzymen für grünen Wasserstoff

Einen Mini-Katalysator zur Wasserstoffproduktion haben Forschende jetzt entwickelt. Der winzige Biokatalysator arbeitet mit Elektronen aus der Photosynthese.

Mini-Katalysator zur Wasserstoffgewinnung: Anja Hemschemeier, Thomas Happe und Sven Stripp aus Potsdam (auf dem Bildschirm in der Mitte) arbeiten zusammen. Foto: RUB/Marquard

Mini-Katalysator zur Wasserstoffgewinnung: Anja Hemschemeier, Thomas Happe und Sven Stripp aus Potsdam (auf dem Bildschirm in der Mitte) arbeiten zusammen.

Foto: RUB/Marquard

Die industrielle Nutzung von Wasserstoff als Energieträger setzt zunehmend auf grüne Herstellungsmethoden. Zwar gelten natürliche Hydrogenasen als vielversprechende Biokatalysatoren, doch ihre hohe Komplexität und Sauerstoffempfindlichkeit erschweren ihre Anwendung erheblich. Ein Forschungsteam der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und der Universität Potsdam hat nun eine alternative Strategie entwickelt: Sie übertrugen das katalytisch aktive Zentrum einer [FeFe]-Hydrogenase auf das kleinere, einfacher zu handhabende Protein Ferredoxin. Dadurch entstand ein funktionaler Biohybrid, der Wasserstoff effizient erzeugen kann und dabei Elektronen aus lichtgetriebenen Prozessen nutzt.

Hydrogenasen, wie sie in Mikroorganismen vorkommen, sind hochspezialisierte Enzyme, die Wasserstoff effizient produzieren können. Besonders die [FeFe]-Hydrogenasen besitzen ein katalytisches Zentrum aus Eisenatomen, das in seiner Funktion mit klassischen Platin-Katalysatoren vergleichbar ist. Doch ihre Anwendung scheitert bisher an ihrer Größe, Instabilität gegenüber Sauerstoff und der Notwendigkeit aufwendiger Elektronenspender. Das Ziel der Bochumer Arbeitsgruppe war es daher, diese Hindernisse zu überwinden, indem nur der funktionale Kern des Enzyms verwendet wird. Ferredoxine sind kleine Eisen-Schwefel-Proteine, die in nahezu allen Lebewesen als Elektronenüberträger agieren. In der natürlichen Photosynthese übernehmen sie eine Schlüsselrolle beim Transfer lichtinduzierter Elektronen. Das Forschungsteam stellte sich die Frage, ob es möglich sei, die Funktion der Hydrogenase auf ein Ferredoxin zu übertragen und damit die Enzymkaskade abzukürzen. Dieser Ansatz ist ungewöhnlich, da Ferredoxine normalerweise keine eigene katalytische Aktivität in Bezug auf Wasserstoff zeigen.

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Von der Idee zum Biohybriden: ein Protein als Ersatz für ein Enzym

Um die Wasserstoffproduktion im Ferredoxin zu ermöglichen, wurde dessen natürlicher Co-Faktor durch den synthetisierten [FeFe]-Hydrogenase-Katalysator ersetzt. Dieser Austausch stellte eine erhebliche Herausforderung dar, da nur bestimmte Ferredoxine mit dem neuen Katalysator eine funktionale Einheit bildeten. Die Forschenden testeten eine Reihe von Varianten, bis sie passende Kombinationen identifizieren konnten. Entscheidend war dabei, dass das Protein eine geeignete chemische Umgebung für den Katalysator bereitstellt.

Erste spektroskopische Analysen zeigten, dass das synthetische Biohybridsystem Elektronen aus photosynthetischen Komponenten aufnehmen und zur Wasserstoffproduktion verwenden konnte. Dieses Verhalten erinnert stark an natürliche Hydrogenasen, erfordert jedoch deutlich weniger strukturellen Aufwand. Darin liegt ein wesentlicher Vorteil des neuen Ansatzes: Die Komplexität der Proteinstruktur wird reduziert, während die Funktionalität weitgehend erhalten bleibt.

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Die Zusammenarbeit mit der Universität Potsdam ermöglichte zusätzlich quantenmechanische Modellierungen, die zur Validierung der experimentellen Beobachtungen beitrugen. Durch Kombination von Spektroskopie und theoretischer Berechnung wurde nachgewiesen, dass das Ferredoxin eine stabile Bindung zum Katalysator eingeht und dessen elektronische Struktur in einer Weise beeinflusst, die für die Wasserstoffentwicklung günstig ist.

Mini-Katalysator: Weite Potenziale für Technik und Biotechnologie

Das neue Biohybridsystem ist der erste Schritt hin zu miniaturisierten, biologisch inspirierten Katalysatoren. In Hinblick auf die Wasserstoffwirtschaft könnte es einen wichtigen Beitrag leisten, da die Herstellungskosten im Vergleich zu komplexen Enzymsystemen sinken dürften und gleichzeitig eine bessere Integration in technische Systeme möglich ist. So wären biohybride Katalysatoren denkbar, die in Kombination mit Mikroalgen oder synthetischen Photosystemen Wasserstoff aus Licht und Wasser erzeugen.

Impulsgeber für weitere Forschungsprojekte

Auch im Bereich der Biotechnologie ergeben sich neue Anwendungsperspektiven: Beispielsweise könnten genetisch veränderte Mikroorganismen mit dem modifizierten Ferredoxin ausgestattet werden, um in photobioreaktiven Prozessen als Wasserstoffquelle zu fungieren. Die geringere Sauerstoffempfindlichkeit des Biohybrids im Vergleich zur natürlichen Hydrogenase wäre hier ein praktischer Vorteil.

Das Projekt liefert darüber hinaus Impulse für die Erforschung sogenannter minimaler Enzyme. Sie verfolgen das Ziel, komplexe biologische Funktionen mit möglichst einfachen molekularen Bausteinen nachzubilden. Der vorgestellte Ferredoxin-Hybrid könnte dabei als Modell für künftige Entwicklungen dienen, bei denen synthetisch veränderte Proteine mit katalytischen Funktionen ausgestattet werden. Für die Grundlagenforschung bietet das System eine Plattform zur Untersuchung elektronischer Wechselwirkungen zwischen Proteinmatrix und Katalysator. Diese Erkenntnisse könnten nicht nur die Entwicklung neuer Wasserstoffkatalysatoren vorantreiben, sondern auch in anderen Bereichen der Bioorganischen Chemie, wie der CO2-Reduktion oder der Ammoniaksynthese, Anwendung finden. Die Studie ist im Juni 2025 in der Fachzeitschrift Advanced Science erschienen.

Von Elke von Rekowski

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