Wie die Transformation des Energiesystems gelingen kann
Wie gelingt die resiliente Transformation des Energiesystems unter geopolitischen Unsicherheiten, regulatorischen Umbrüchen und wirtschaftlichen Herausforderungen? Mit dieser Kernfrage rückten die FfE-Energietage Mitte Mai 2025 in der bayerischen Akademie der Wissenschaften in München die Verbindung von Wissenschaft, Praxis und Politik in den Mittelpunkt.

Kerstin Andreae vom BDEW betonte die Bedeutung einer umfassenden Resilienzstrategie – mit Fokus auf europäische Wasserstoffwirtschaft, heimische Erzeugungskapazitäten und Lieferketten.
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Den Auftakt bildete der gemeinsam mit der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. organisierte Industrietag mit dem Thema „CO2-Verminderung in der Industrie“. Praxisnahe Interviews und eine abschließende Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft und Politik spannten den Bogen von unternehmerischer Praxis zur industriepolitischen Perspektive in Bayern.
Die anschließende zweitägige Fachtagung bot ein Programm mit Einblicken in aktuelle Forschungsprojekte, Impulsen sowie vertiefenden Fachpanels. Sie begann traditionell mit dem „Warm-up aus der Wissenschaft“, in dem exzellente Masterarbeiten (Helmut-Schaefer-Preis) und laufende Promotionsvorhaben von FfE-Mitarbeitenden vorgestellt wurden.
Impulsvorträge
Drei Impulsvorträge setzten den thematischen Rahmen. So betonte Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW), die Bedeutung einer umfassenden Resilienzstrategie – mit Fokus auf europäische Wasserstoffwirtschaft, heimische Erzeugungskapazitäten und Lieferketten. Dr. Benedikt Franke, stellvertretender Vorsitzender und CEO der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), hob die sicherheitspolitische Relevanz von Energiesouveränität hervor und forderte eine stärkere europäische Handlungsfähigkeit. Gesellschaftliche Perspektiven auf die Transformation eröffnete Prof. Dr. Armin Nassehi, Leiter des Instituts für Soziologie der LMU München, und reflektierte deren soziologische Spannungsfelder.
Forschung für die Praxis und Fachpanels
In kompakten Projektvorstellungen präsentierte die FfE darüber hinaus Arbeiten zu schneller Netzanschlussplanung, CO2-Verminderungskosten, Vehicle-to-Grid-Potenzialen und Vermarktung von Großwärmepumpen an den Energiemärkten. Eine begleitende Posterausstellung bot Raum für vertieften Austausch.
Energiewende: Leistung aus Erneuerbaren wächst, aber Verteilnetze bleiben zurück
Interessante Einblicke ergaben sich durch die Fachpanels im Rahmen der Energietage. Eine Fragestellung dabei: Wie kann Planung unter veränderten Rahmenbedingungen stattfinden? Sowohl Ziel- als auch Trendszenarien sind wichtig. Zielszenarien zeigen politische Wege auf, Trendszenaren werden kurzfristiger für die realistische Entwicklung und Steuerung benötigt. Der Ausbau von Technologien sollte stetig erfolgen, um Planungssicherheit zu haben. Es ist immer erforderlich, einen Szenariorahmen aufzuspannen und Unsicherheiten zu quantifizieren.
Kosteneffizienz und Finanzierung spielen für eine gelungene Transformation eine wichtige Rolle. Die Energiewende muss bezahl-, plan- und finanzierbar sein. Nur so bleibt sie wirtschaftlich tragfähig und gesellschaftlich akzeptiert. Der Dialog zwischen Finanz- und Energiewirtschaft ist hierbei essenziell.
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Voraussetzungen schaffen
Die Wasserstoffbranche steht vor einem entscheidenden Übergang: von der Konzept- zur Umsetzungsphase. Mit wachsender Erfahrung, ersten Erfolgen und einem zunehmend realistischen Blick auf Marktmechanismen sind die Voraussetzungen für den Hochlauf geschaffen.
CCU/CCS ist neben dem Ausbau natürlicher CO2-Senken für die Erreichung der Klimaziele unverzichtbar. Obwohl Technologien wie BECCS (Bioenergy with Carbon Capture and Storage) und DACCS (Direct Air Carbon Capture and Storage) bei den aktuellen Kosten noch keinen skalierbaren Business Case darstellen, bieten sie die Chance, einen neuen Wirtschaftszweig aufzubauen, in den es sich jetzt schon lohnt, zu investieren.
Wie lassen sich Flexibilitäten heben? Technologisch sind viele dezentrale Flexibilitätsoptionen bereits einsatzbereit – nun braucht es gezielte regulatorische Rahmenbedingungen, um sie effektiv ins Energiesystem zu integrieren. Die breite Erprobung praxisnaher Lösungen kann dabei helfen, Umsetzung und Skalierung deutlich zu beschleunigen.
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Einigkeit herrschte bei den Teilnehmenden über die Notwendigkeit von Flexibilität – verschiedene Sichtweisen ergaben sich bei der Umsetzung: Gebotszonensplit, Kapazitätsmärkte und weitere Mechanismen wurden kontrovers diskutiert. In einem komplexer werdenden Energiesystem wird es neue Marktmechanismen für lokale Preissignale brauchen.
Wissenschaft trifft Öffentlichkeit
Im Rahmen der Energietage wurde die 100. Folge des Podcasts „Redispatch“ mit Nassehi aufgezeichnet. Passend zur Veranstaltung lautete das Thema „Wie verhält sich die Gesellschaft im Wandel angesichts globaler Turbulenzen?“ Hier geht es zum Podcast.
Henriette Schweiker ist Science Communication Coordinator bei der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE)