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Sicherheit in der Transportlogistik 23.06.2025, 10:00 Uhr

Cybersecurity im digitalen Zeitalter: Wie Speditionen, Versicherer und Verlader neuen digitalen Bedrohungen begegnen

Cyberangriffe, Identitätsdiebstahl und Datenmanipulation zählen längst zu den größten Risiken in der Transportlogistik. Speditionen, Verlader und Versicherer stehen vor der Herausforderung, ihre digitalen Prozesse umfassend abzusichern – technisch wie organisatorisch. Auf der transport logistic 2025 diskutierten Branchenvertreter im Rahmen der Timocom ThekenTalks, wie moderne Cybersecurity-Maßnahmen die Resilienz in der Lieferkette stärken.

Diskussionen über Sicherheit und mehr Schutz vor Cyberangriffen auf der transport logistic 2025. Foto: TIMOCOM

Diskussionen über Sicherheit und mehr Schutz vor Cyberangriffen auf der transport logistic 2025.

Foto: TIMOCOM

Cybersecurity ist längst kein isoliertes IT-Thema mehr, sondern ein zentrales Element unternehmerischer Resilienz. Die Bedrohungslage ist vielfältig und dynamisch – von gezielten Angriffen auf Netzwerke über Identitätsmissbrauch durch sogenannte Phantom-Frachtführer bis hin zu Ransomware-Attacken mit Lösegeldforderungen. Im Rahmen der Timocom ThekenTalks auf der transport logistic 2025 diskutierten Vertreter aus Transport, Industrie und Versicherung, wie Unternehmen digitale Resilienz aufbauen und ihre Schutzmechanismen schärfen können. Moderiert wurde die Gesprächsrunde von Gunnar Gburek, Company Spokesman und Head of Business Affairs bei Timocom, der gezielt nach praktischen Erfahrungen, konkreten Maßnahmen und strategischer Einordnung fragte.

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Cyberattacke als Wendepunkt und Weckruf

Martin Krumhaar, Leiter Frachtenmanagement und Serviceläger bei Saint-Gobain Isover G+H AG, berichtet von einem Schlüsselmoment: „Wir wurden Opfer einer massiven Cyberattacke – danach war klar, dass wir handeln müssen.“ Aus dem Vorfall im Jahr 2017 zog das Unternehmen weitreichende Konsequenzen. Heute ist Saint-Gobain organisatorisch und technisch vorbereitet – mit täglichen Datenbackups, dezentraler Krisenreaktion, einem umfassenden Notfallhandbuch und regelmäßigen Schulungen für Mitarbeitende. Dabei setzt man auch auf analoge Redundanzen: „Wir haben gelernt, dass Lieferfähigkeit im Zweifel analog gesichert werden muss – mit Handlieferscheinen, Teams-Kommunikation und klaren Rollen.“

Plattformlösungen als Stabilitätsfaktor in Krisensituationen

Besonders in der akuten Phase des Angriffs zeigte sich der Wert digitaler Plattformen: „Unsere genutzten Transportplattformen waren damals nicht betroffen, sondern halfen uns sogar, an unsere Daten zu kommen“, erinnert sich Krumhaar. Heute betrachtet Saint-Gobain diese Plattformen nicht nur als digitale Werkzeuge, sondern als integrale Bestandteile der Resilienzstrategie – vorausgesetzt, sie erfüllen hohe Sicherheitsstandards bei allen Schnittstellen.

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Cybersicherheit ist Führungsaufgabe – nicht delegierbar

Niels Beuck, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des DSLV Bundesverbands Spedition und Logistik, beschreibt ein strukturelles Problem in vielen Unternehmen: „Viele unserer Mitglieder – ob Mittelstand oder Konzern – befassen sich leider erst nach einem Angriff mit Cybersicherheit.“ Dabei betrifft die Bedrohung nicht nur interne Systeme – auch Frachtinformationen, Routen oder Lagerdaten geraten zunehmend ins Visier. Als Vorsitzender des Advisory Body Safety and Security (ABSS) bei der FIATA war Beuck an der Entwicklung eines internationalen Leitfadens beteiligt. Seine klare Forderung: „Cybersicherheit darf nicht delegiert werden. Sie muss zur Chefsache gemacht werden – inklusive Awareness-Training, regelmäßiger Mitarbeiterschulung und konsequenter Datensicherung. Wer dies in seine Prozesse implementiert, ist heute schon deutlich besser aufgestellt als viele andere.“

Er weist zudem auf ein häufig unterschätztes Risiko hin: Der gezielte Datendiebstahl im Vorfeld eines Transportes – etwa zur Identifikation besonders lohnenswerter Lieferungen – bleibe in vielen Unternehmen ein blinder Fleck.

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Wenn digitale Angriffe die Identität stehlen

Peter Wachinger von der Oskar Schunck GmbH & Co. KG unterstreicht die Relevanz digitaler Bedrohungen aus Sicht der Versicherungswirtschaft: „Cyberrisiken sind laut Allianz Risk Barometer das größte Geschäftsrisiko für Unternehmen in Deutschland.“ Besonders gefährlich seien ausgefeilte Identitätsfälschungen. Fake-Spediteure, geklonte Webseiten und gefälschte E-Mails seien inzwischen schwer zu erkennen – mit erheblichen finanziellen und reputativen Folgen. Die Schunck-Gruppe setzt daher auf ein breites Portfolio präventiver Maßnahmen: Penetrationstests, simulierte Angriffe, Schulungsprogramme – auch für Disponenten. Ergänzend bietet die Tochterfirma RMSecur branchenspezifische Resilienzprogramme: „Das Problem ist nicht, dass man angegriffen wird, sondern nicht vorbereitet zu sein.“

Der Mensch als Angriffsfläche – und Schutzschild

Auch in der operativen Logistik rückt der Faktor Mensch stärker in den Fokus. Benedikt Roßmann von Ansorge Logistik beschreibt die Herausforderung als einen sich stetig beschleunigenden Wettlauf: „Kampf im digitalen Doping-Wettlauf.“ Ansorge kombiniert technische Sicherheitslösungen mit automatisierten Awareness-Kampagnen im Unternehmensalltag – darunter auch Phishing-Simulationen, die das kritische Lesen und Hinterfragen von Mails trainieren: „Unsere Mitarbeitenden müssen kritisch lesen und hinterfragen – das trainieren wir permanent.“ Gleichzeitig wird bei neuen Transportpartnern ein stringenter Onboarding-Prozess eingesetzt, um potenzielle Fake-Frachtführer frühzeitig zu erkennen.

Benjamin Stauch, Leiter Logistik Disposition bei MC Bauchemie, ergänzt: „Es geht nicht nur um Firewalls, sondern um Wachsamkeit im Alltag. Jeder Klick kann der falsche sein.“ Sein Unternehmen setzt auf ein umfassendes Kontrollsystem: Regelmäßige Tests, jährliche Pflichtschulungen und eine sorgfältige Prüfung der Partnervergabe.

Vertrauensaufbau durch geprüfte Plattformen

Sichere Kommunikationskanäle und verifizierte Identitäten werden zum Rückgrat funktionierender digitaler Marktplätze. Für viele Fachleute steht fest: Nur mit konsequenter Risikoprüfung kann der freie Transportmarkt nachhaltig funktionieren. Plattformbetreiber wie Timocom nehmen diese Verantwortung ernst – etwa mit:

  • einer strengen Verifizierung vor der Nutzerfreischaltung
  • dem Business Partner Check zur Dokumentenprüfung
  • sicheren Kommunikationswegen über den Timocom Messenger mit integrierter Übersetzungsfunktion

Diese Funktionen dienen nicht nur dem Schutz vor Cyberangriffen, sondern vor allem dem Vertrauensaufbau zwischen den Marktteilnehmern.

Fazit: Cybersecurity ist Verantwortung – nicht Funktion

Der Tenor aller Gesprächsteilnehmer ist eindeutig: Digitale Sicherheit beginnt im Denken und Handeln jedes Einzelnen. Gunnar Gburek bringt es auf den Punkt: „Wer Verantwortung in der Lieferkette trägt, muss auch Verantwortung im digitalen Raum übernehmen.“ Dabei zähle nicht die Perfektion, sondern konsequent zu sein: Durch regelmäßige Schulungen, der aufmerksamen Prüfung von Angeboten, in der Zusammenarbeit mit vertrauenswürdigen Partnern sowie der Wahl sicherer Kommunikationswege. Der Faktor Mensch bleibe dabei entscheidend – als Risiko wie als Schutz.

Cybersecurity ist damit nicht nur technische Herausforderung, sondern Führungsdisziplin – und letztlich ein Ausdruck gelebter Verantwortung in der gesamten Lieferkette.

Von TIMOCOM / RMW
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