Wie funktionieren eigentlich Hochspannungsleitungen?
Hochspannungsleitungen transportieren Strom über weite Strecken und sorgen dafür, dass dieser von den Kraftwerken zu den Nutzenden gelangt. Doch wie funktioniert eine solche Leitung eigentlich? Welche physikalischen Grundlagen spielen eine Rolle?

Anders als bei Windkraftanlagen, haben wir uns an den Anblick von Hochspannungsleitungen längst gewöhnt. Doch wie funktionieren sie eigentlich?
Foto: PantherMedia / Daniel Bolloff
Inhaltsverzeichnis
Was sind Hochspannungsleitungen?
Hochspannungsleitungen sind ein wichtiger Bestandteil des Stromnetzes. Sie dienen dazu, elektrische Energie über große Entfernungen zu transportieren und gewährleisten so eine sichere Stromversorgung. Ohne diese „Stromautobahnen“ wäre eine zuverlässige Energieversorgung in der modernen Gesellschaft nicht möglich.
Hochspannungsleitungen machen es zudem einfacher, Stromquellen wie Wasserkraftwerke in abgelegenen Gebieten oder Windparks in das Stromnetz einzubinden. Ohne Hochspannungsleitungen wäre es schwierig oder nicht wirtschaftlich, diese Energie in Ballungszentren oder industriell stark aufgestellte Regionen zu transportieren. Sie fungieren darüber hinaus als Verbindungswege zwischen verschiedenen regionalen Stromnetzen oder zwischen Ländern. So ist es möglich, Energieüberschüsse dort zu nutzen, wo sie benötigt werden.
Die Hauptfunktionen von Hochspannungsleitungen sind der Transport von Strom von den Erzeugungsanlagen zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie der Ausgleich von Angebot und Nachfrage im Stromnetz. Sie bilden das Rückgrat der Stromversorgung und sorgen dafür, dass elektrische Energie jederzeit und überall verfügbar ist.
Grundlagen von Hochspannungsleitungen
Was versteht man eigentlich unter Hochspannung? Unter Hochspannung versteht man elektrische Spannungen, die deutlich höher sind als die üblichen Niederspannungen im Haushaltsbereich (230 Volt). In der Energietechnik unterscheidet man zwischen Mittelspannung (1 Kilovolt bis 36 Kilovolt), Hochspannung (36 Kilovolt bis 150 Kilovolt) und Höchstspannung (über 150 Kilovolt bis 1.200 Kilovolt). Typische Spannungsbereiche für Hochspannungsleitungen sind 110 Kilovolt (kV), 220 kV und 380 kV. Erst solche hohen Spannungen machen es möglich, große Mengen an Energie über weite Strecken zu transportieren, dabei aber die Übertragungsverluste gering zu halten.
Eine Hochspannungsleitung besteht aus mehreren Komponenten:
- Leiterseile: Sie tragen den elektrischen Strom und bestehen meist aus Aluminium mit Stahleinlage (ACSR – Aluminium Conductor Steel Reinforced) für hohe Leitfähigkeit und mechanische Stabilität. Es gibt mehrere Leiterseile pro Phase (z. B. 2 bis 4), die den Energieverlust durch Korona-Entladungen reduzieren.
- Masten: An ihnen sind die Leiterseile befestigt. Es gibt Gittermasten (häufigste Form), Betonmasten, Rohrmasten. Sie sind typischerweise zwischen 30 und 100 Meter hoch, je nach Spannungsebene.
- Isolatoren: Sie sorgen für eine sichere elektrische Trennung zwischen den stromführenden Leiterseilen und dem geerdeten Mast. Isolatoren bestehen aus Glas, Porzellan oder Polymer-Kunststoffen und hängen oft als Isolatorenkette an den Masten.
Warum überhaupt Hochspannung?
Der Hauptgrund, Hochspannung in der Stromübertragung zu nutzen, ist es, Energieverluste zu reduzieren. Elektrischer Strom erzeugt auf seinem Weg durch Leitungen Widerstandsverluste (Joule-Verluste) in Form von Wärme. Diese Verluste steigen mit dem Quadrat der Stromstärke.
Elektrische Leistung (P) wird durch das Produkt von Spannung (U) und Stromstärke (I) beschrieben: P=U×I. Um eine bestimmte Leistung zu übertragen, kann man entweder eine hohe Stromstärke (I) bei niedriger Spannung (U) oder eine hohe Spannung (U) bei niedriger Stromstärke (I) verwenden. Da die Leitungsverluste durch den elektrischen Widerstand R der Leitung nach der Formel PL=I2×R berechnet werden, führt eine niedrigere Stromstärke zu deutlich geringeren Verlusten.
Die Spannung (U) zu erhöhen, senkt demnach die Stromstärke (I), da die Leistung konstant bleibt. Da Verluste proportional zu I2 sind, wird durch die Reduzierung von I der Verlust deutlich gesenkt. Dadurch sind zudem schmalere Leiterseile möglich, die weniger Material benötigen und günstiger sind.
Wichtige technische Fragen zu Hochspannungsleitungen
Wie viel Volt hat eine Hochspannungsleitung?
Die Spannung in einer Hochspannungsleitung liegt typischerweise im Bereich von 110 kV, 220 kV oder 380 kV. Diese hohen Spannungen sind notwendig, um den Strom über große Entfernungen zu transportieren und die Übertragungsverluste gering zu halten.
Wie viel Ampere fließen durch eine Hochspannungsleitung?
Die Stromstärke in einer Hochspannungsleitung hängt von der übertragenen Leistung und der Spannung ab. Typische Werte liegen im Bereich von einigen hundert bis zu einigen tausend Ampere. Durch die hohe Spannung kann die Stromstärke relativ gering gehalten werden, was die Verluste reduziert.
Welche Leistung transportiert eine Hochspannungsleitung?
Die Leistung einer Hochspannungsleitung kann mehrere hundert Megawatt bis zu einigen Gigawatt betragen. Eine 380-Kilovolt-Leitung kann beispielsweise eine Leistung von bis zu zwei Gigawatt übertragen, was dem Strombedarf von mehreren Millionen Haushalten entspricht.
Warum wird in einer Hochspannungsleitung ein Isolator verwendet?
Isolatoren dienen dazu, die stromführenden Leiterseile elektrisch von den geerdeten Masten zu trennen. Sie verhindern, dass der Strom über die Masten abfließt und gewährleisten so die sichere Führung des Stroms. Isolatoren bestehen aus Materialien wie Keramik oder Kunststoff, die eine hohe elektrische Festigkeit aufweisen.
Wie viel Abstand braucht man zu einer Hochspannungsleitung?
Zu Hochspannungsleitungen müssen aus Sicherheitsgründen bestimmte Abstände eingehalten werden. Die genauen Anforderungen sind gesetzlich festgelegt und hängen von der Spannungsebene ab. Für eine 380-Kilovolt-Leitung beträgt der Mindestabstand beispielsweise fünf Meter. In der Nähe von Hochspannungsleitungen gilt es, besondere Vorsicht walten zu lassen und die Sicherheitsabstände unbedingt einzuhalten.
Wie viel Verlust hat eine Hochspannungsleitung?
Trotz der hohen Spannung treten in Hochspannungsleitungen Verluste auf. Diese setzen sich aus verschiedenen Komponenten zusammen, wie Widerstandsverlusten in den Leitern, Wärmeverlusten durch den Stromfluss und sogenannten Korona-Effekten. Moderne Hochspannungsleitungen haben jedoch einen sehr hohen Wirkungsgrad von mehr als 99%. Die Verluste liegen typischerweise im Bereich von wenigen Promille der übertragenen Leistung.
Kann man eine Hochspannungsleitung unterirdisch verlegen?
Grundsätzlich ist es möglich, Hochspannungsleitungen auch unterirdisch zu führen. Das bietet Vorteile wie eine geringere optische Beeinträchtigung der Landschaft und einen besseren Schutz vor Witterungseinflüssen. Allerdings ist die unterirdische Verlegung technisch anspruchsvoller und mit höheren Kosten verbunden als Freileitungen – geschätzt wird das vier- bis achtfache an Kosten. Es sind spezielle Hochspannungskabel und aufwendige Kühlsysteme erforderlich, um die entstehende Wärme abzuführen und eine zuverlässige Übertragung zu gewährleisten.
Hochspannungsleitungen in der Zukunft
Für die Effizienz und Nachhaltigkeit moderner Stromnetze spielt es eine wichtige Rolle, Hochspannungsleitungen und die dahinter stehende Technologie weiterzuentwickeln. Lösungen wie Supraleiter, Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) und Smart Grids sollen die Energieeffizienz verbessern und Netzverluste reduzieren:
Supraleiter: Diese Materialien ermöglichen den nahezu verlustfreien Transport elektrischer Energie, da sie unter bestimmten Bedingungen keinen elektrischen Widerstand aufweisen. Ein bemerkenswertes Beispiel ist das Projekt „SuperLink“ in München, bei dem ein 15 Kilometer langes supraleitendes Kabel zwischen zwei Umspannwerken installiert wurde und das im Oktober 2024 in Betrieb genommen wurde. SuperLink stellt den weltweit längsten Hochtemperatur-Supraleiter dar. Ziel ist es, das Stromnetz effizienter und umweltfreundlicher zu gestalten.
Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ): Im Gegensatz zur herkömmlichen Wechselstromübertragung bietet die HGÜ-Technologie die Möglichkeit, elektrische Energie in Hochspannungsleitungen über große Distanzen mit geringeren Verlusten zu transportieren. Das ist besonders für die Integration von Offshore-Windparks oder den internationalen Stromhandel relevant. Die HGÜ ermöglicht eine stabile und leistungsstarke Übertragung großer Energiemengen und trägt somit zur Netzstabilität bei.
Smart Grids: Intelligente Stromnetze binden moderne Informations- und Kommunikationstechnologien ein, um den Energiefluss in Echtzeit zu überwachen und zu steuern. Das ermöglicht eine bessere Integration erneuerbarer Energiequellen und eine effizientere Nutzung der vorhandenen Infrastruktur. Indem Parameter wie die Temperatur der Leiterseile überwacht werden, können Netzbetreiber die Auslastung optimieren und Engpässe vermeiden.
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