Flutkatastrophe in Texas: Warnsysteme versagten
Über 100 Tote nach Sturzflut in Texas. Warnsysteme versagten, Kinder sterben im Camp. Trump und Wetterdienst geraten unter Druck.

Sturzflut in Zentraltexas: Die Regenmenge übertraf alle Prognosen – mehr als 350 l/m² in fünf Stunden sorgten für dramatische Schäden.
Foto: Smarterpix / santirj (Symbolbild)
Zentraltexas erlebt eine der schlimmsten Naturkatastrophen der letzten Jahre. Eine Sturzflut hat über 100 Menschen das Leben gekostet, darunter viele Kinder. Besonders schwer traf es Gebiete entlang des Guadalupe River. Das beliebte Camp Mystic wurde zur Todesfalle – 27 Mädchen und Betreuer*innen starben in der Nacht, als das Wasser ihre Hütten überschwemmte.
Während noch immer Dutzende Personen vermisst werden, rückt der Nationale Wetterdienst (NWS) in den Fokus. Hätten bessere Vorhersagen oder ein funktionierendes Warnsystem das Drama verhindern können?
Inhaltsverzeichnis
Regen wie seit 1000 Jahren nicht mehr
Der Juli gilt in Texas als Hauptsaison für Sturzfluten. Und dennoch wurden die Wassermassen unterschätzt. Die Katastrophenschutzbehörde rechnete mit 75 bis 200 l/m² Regen – gefallen sind aber lokal bis zu 356 l/m², und das binnen fünf Stunden. In Kerrville fielen über 250 l/m² in nur drei Stunden. Diese Mengen treten laut Statistik höchstens einmal in einem Jahrtausend auf.
„Der Sturm hat mehr Regen gebracht als vorhergesagt“, erklärte Dalton Rice, Stadtverwalter von Kerrville. Und er war nicht der Einzige, der sich mit Kritik konfrontiert sah.
Warnsysteme unvollständig – viele Orte ohne Netz
Obwohl der Wetterdienst rechtzeitig Warnungen per Handy versandte, wurden viele Menschen nicht erreicht. Besonders abgelegene Campingplätze wie das Camp Mystic hatten schlicht kein Mobilfunknetz. Die Folge: Kinder wurden im Schlaf vom Wasser überrascht.
Richter Rob Kelly vom Bezirk Kerr County sagte: „Wir wussten nicht, dass diese Überschwemmung kommen würde … Wir hatten keinen Grund zu der Annahme, dass es zu so etwas kommen würde.“
Dabei war die Region schon lange als Risikogebiet bekannt. Bereits vor Jahren hatten Kommunen über die Installation von Sirenen und Pegelanzeigen diskutiert. Doch aus Kostengründen wurden die Pläne verworfen.
Personalnot beim Wetterdienst – politischer Streit entbrannt
Die Kritik an der Vorhersageleistung richtet sich nicht nur an lokale Behörden. Auch strukturelle Mängel im NWS werden angeprangert. In wichtigen Büros wie San Angelo und Austin/San Antonio fehlten entscheidende Fachkräfte. Hydrologen oder Warnkoordinatoren – schlicht nicht besetzt.
Schon Anfang des Jahres hatten ehemalige NWS-Leitungen Alarm geschlagen: Der Wetterdienst sei mit 10 % weniger Personal unterwegs als notwendig – ausgerechnet in der gefährlichsten Jahreszeit.
Nun gerät auch US-Präsident Donald Trump in die Kritik. Zu Beginn seiner zweiten Amtszeit strich seine Regierung hunderte Stellen beim Wetterdienst. Medienberichten zufolge trafen die Kürzungen gezielt meteorologische Fachkräfte – angeblich unter Beratung von Elon Musk.
Trump wehrte sich prompt gegen die Vorwürfe. Er sprach von einer „Jahrhundertkatastrophe“ und betonte: „Niemand hat das erwartet.“ Auf die Frage, ob er die Stellen wieder besetzen wolle, sagte er nur: „Darüber kann später gesprochen werden.“
Parallelen zur Ahrtal-Flut 2021
Die texanische Katastrophe erinnert viele an das Ahrtal im Sommer 2021. Auch dort führten Warnsysteme nicht zum Schutz der Bevölkerung. In Kerr County stieg der Fluss Guadalupe binnen 45 Minuten um bis zu acht Meter – nachts, ohne sichtbare Vorwarnung.
Die Meteorologinnen und Meteorologen verteidigen sich. Es habe eine Sturzflutwarnung gegeben – mehr als zwölf Stunden vor der Flut, heißt es vom NWS. Doch die entscheidende Eskalation kam erst gegen 1:14 Uhr – mitten in der Nacht. Um 4 Uhr wurde sie noch einmal verschärft. Viele Menschen schliefen da bereits oder hatten keinen Empfang.
Dramatische Szenen im Camp Mystic
Das Camp Mystic, ein christliches Mädchenlager mit 750 Teilnehmerinnen, liegt direkt am Ufer des Guadalupe. In der Nacht zum Freitag überflutete das Wasser das Gelände. 27 Menschen verloren ihr Leben. Inzwischen berichtet der texanische Gouverneur Greg Abbott von dramatischen Rettungsaktionen. Ein Mädchen habe sich auf einen Baum geflüchtet und konnte nur per Hubschrauber gerettet werden.
Warum das Camp nicht rechtzeitig evakuiert wurde, bleibt unklar. Dalton Rice wollte sich dazu nicht äußern. „Wir konzentrieren uns jetzt auf die Vermissten. Wir haben noch elf Kinder, die wir wieder mit ihren Familien zusammenbringen wollen.“
Wetterphänomene werden extremer
Die Ursachen für die sintflutartigen Regenfälle sind komplex. Tropensturm Barry hatte zuvor feuchte Luft aus dem Golf von Mexiko ins Landesinnere getragen. Diese traf auf eine instabile Wetterlage – ein immer häufiger beobachtetes Muster. Wetterballons über Del Rio registrierten Rekord-Feuchtigkeitswerte. Das nationale Wetterzentrum in Maryland sprach von einem „sehr seltenen Ereignis“.
Fachleute warnen seit Jahren, dass der Klimawandel solche Extremereignisse verstärkt. In Zentraltexas nehmen laut Datenanalysen Starkregen-Ereignisse zu. Regionen, die ohnehin anfällig sind, stoßen an ihre Grenzen – infrastrukturell wie organisatorisch.
Warnungen müssen ankommen – und ernst genommen werden
Das texanische Desaster zeigt: Warnsysteme allein reichen nicht. Sie müssen Menschen auch erreichen – und zwar rechtzeitig. Und die Bevölkerung muss wissen, wie sie auf solche Warnungen reagieren soll.
Eine Sprecherin des deutschen Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe bringt es auf den Punkt: „Eine Warnung muss so konzipiert sein, dass sie verstanden wird und ankommt.“
In Texas aber blieb das aus – mit verheerenden Folgen. Die USA stehen nun vor der Frage: Wie lässt sich so eine Tragödie künftig verhindern? Denn neue Unwetter sind bereits angekündigt. Und jede weitere Warnung zählt.
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