Straße von Hormus: Wie real ist das Szenario einer Sperrung?
Explosive Lage am Persischen Golf: Droht eine Blockade der Straße von Hormus – und was steht für Europa dabei auf dem Spiel?

Die Straße von Hormus verbindet den Persischen Golf mit dem Indischen Ozean. Durch die enge Passage fließt rund ein Fünftel des weltweiten Rohöls.
Foto: Smarterpix / vampy1
Straße von Hormus: Kann sich der Iran eine Blockade leisten?Die Straße von Hormus ist einmal mehr zu einem geopolitischen Brennpunkt geworden. Nach US-geführten Luftangriffen auf iranische Atomanlagen wächst die Sorge vor einer Eskalation im Nahen Osten – nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich. Besonders bedrohlich: Neue Erkenntnisse über stationierte iranische Seezielflugkörper erhöhen das Risiko einer realen Blockade der Meerenge. Dabei geht es um mehr als nur eine regionale Krise – es steht nicht weniger als die Stabilität des globalen Energiemarkts auf dem Spiel.
Inhaltsverzeichnis
- Wo liegt die Straße von Hormus – und warum ist sie so entscheidend?
- Ein Nadelöhr der Weltwirtschaft – mit politischer Sprengkraft
- Iran rüstet auf: Seezielflugkörper entlang der Küste
- Guerillataktik gegen US-Flugzeugträger?
- Politischer Drahtseilakt: Iran zwischen Drohung und Selbstgefährdung
- US-Navy auf Abwehr vorbereitet
- Reedereien reagieren mit Vorsicht
- Wie teuer wird es für Europa?
- Gibt es Alternativen zur Straße von Hormus?
- Rückblick: Frühere Drohungen
Wo liegt die Straße von Hormus – und warum ist sie so entscheidend?
Die Straße von Hormus verbindet den Persischen Golf mit dem Golf von Oman und dem Arabischen Meer. Sie ist nur rund 50 Kilometer breit, an der engsten Stelle sogar weniger – und doch passieren hier täglich bis zu 20 Millionen Barrel Rohöl. Das entspricht fast 30 % des weltweit verschifften Erdöls und etwa einem Fünftel des globalen Verbrauchs.
Nur zwei jeweils drei Kilometer breite Fahrrinnen sind für die internationale Schifffahrt sicher befahrbar. Sie verlaufen durch iranisches und omanisches Hoheitsgebiet. Die globale Abhängigkeit ist immens: Staaten wie Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait und der Irak sind auf diesen Korridor ebenso angewiesen wie der Iran selbst.
Ein Nadelöhr der Weltwirtschaft – mit politischer Sprengkraft
Neben Rohöl werden auch große Mengen Flüssiggas (LNG) über die Straße von Hormus verschifft. Insbesondere Katar exportiert fast sein gesamtes LNG über diese Route. Aber auch Getreide, Maschinen, Autos und Medikamente erreichen den Nahen Osten über diesen Weg. Eine Sperrung würde nicht nur die Preise für Öl und Gas steigen lassen, sondern auch die Versorgung vieler Staaten im Nahen Osten gefährden.
Schon das Drohen mit einer Blockade reicht aus, um Ölpreise steigen zu lassen. Die Internationale Energieagentur (IEA) warnt: „Die schiere Menge an Öl, die über die Straße von Hormus exportiert wird, und die begrenzten Möglichkeiten, sie zu umgehen, bedeuten, dass jede Unterbrechung der Ölströme enorme Folgen für die weltweiten Ölmärkte hätte.“
Iran rüstet auf: Seezielflugkörper entlang der Küste
Neueste Berichte legen nahe, dass der Iran seine militärische Präsenz entlang der Straße von Hormus massiv verstärkt hat. Besonders besorgniserregend ist die Stationierung moderner Seezielflugkörper, auch Anti-Schiffsraketen genannt. Diese Waffen gelten als präzise, schnell und äußerst schwer abzufangen.
Unbestätigten Quellen zufolge hat der Iran zwischen dem Golf von Oman und der Straße von Hormus fünf bis sieben Küstenbatterien installiert. Diese befinden sich in strategischer Nähe zum Marinehauptquartier der Islamischen Revolutionsgarden in Bandar Abbas – direkt an der Meerenge. Ausgerüstet sind sie offenbar mit Raketen chinesischer Bauart (C-801/C-802), die unter iranischer Lizenz weiterentwickelt wurden und nun unter den Namen „Noor“ und „Qader“ bekannt sind. Ihre Reichweite beträgt laut Expertenschätzungen über 100 Kilometer.
Zum Vergleich: Im Ukraine-Krieg versenkten zwei Anti-Schiffsraketen eine russische Lenkwaffenfregatte – die „Moskwa“, Flaggschiff der Schwarzmeerflotte. Eine ähnliche Verwundbarkeit wird nun auch für westliche Marineeinheiten in der Golfregion diskutiert.
Grenzstaaten: Iran im Norden, Vereinigte Arabische Emirate und Oman im Süden
Breite: ca. 55 km an der schmalsten Stelle
Bedeutung: Wichtigste Schifffahrtsroute für Öl und Flüssiggas (LNG)
Tägliches Volumen: ca. 20 Millionen Barrel Rohöl
Anteil am Weltölhandel: rund 30 %
Wichtige Exporteure: Saudi-Arabien, Iran, Kuwait, Irak, Katar, VAE, Bahrain
Militärische Präsenz: Fünfte US-Flotte in Bahrain
Risiken: Drohungen Irans, Minen, GPS-Störungen, Angriffe auf Tanker
Guerillataktik gegen US-Flugzeugträger?
Die Iranische Marine selbst besitzt lediglich drei moderne und drei ältere Fregatten – militärisch kein nennenswerter Gegner für die über 150 Kampfjets der US-Trägerflotten, die derzeit zwischen dem Roten Meer und dem östlichen Mittelmeer operieren. Doch der Iran setzt nicht auf konventionelle Seegefechte, sondern auf asymmetrische Kriegsführung.
Die Islamischen Revolutionsgarden unterhalten eine eigene Marine-Infanterie mit rund 5.000 Soldaten. Ihnen stehen zehn chinesische Raketenschnellboote der Houdong-Klasse zur Verfügung, die mit den genannten Seezielflugkörpern bestückt sind. Diese kleinen, wendigen Boote operieren getarnt in den engen Gewässern und könnten im Ernstfall gezielte Schläge gegen Tanker oder Kriegsschiffe führen – ein Albtraum für die Schifffahrtssicherheit.
Politischer Drahtseilakt: Iran zwischen Drohung und Selbstgefährdung
Ein iranisches Parlament hat einem Gesetz zur Sperrung der Meerenge bereits zugestimmt – eine finale Entscheidung des Obersten Nationalen Sicherheitsrats steht noch aus. Bisher blieb es bei Drohungen. Doch in der aktuellen Lage – nach Luftangriffen auf iranische Nuklearanlagen und Gegenschlägen auf Israel – sind rote Linien überschritten.
US-Außenminister Marco Rubio sieht in einer möglichen Blockade einen globalen Brandbeschleuniger: „Falls sie das tun, wäre das ein weiterer schwerer Fehler. Es wäre wirtschaftlicher Suizid für sie.“
Denn auch der Iran braucht die Straße von Hormus – wirtschaftlich wie strategisch. Täglich exportiert das Land rund 1,5 Millionen Barrel Öl, fast ausschließlich über diese Meerenge. Diese Einnahmen sind entscheidend für ein Regime, das unter massiven Sanktionen der USA und der EU steht. Zudem hat China als wichtigster Handelspartner Irans mehrfach klargemacht, dass ein ungestörter Energiefluss aus dem Golf oberste Priorität hat.
US-Navy auf Abwehr vorbereitet
Die Fünfte Flotte der USA ist in Bahrain stationiert und für die Sicherung der Seeverbindung zuständig. Inzwischen wurde die Präsenz in der Region massiv verstärkt. Drei Flugzeugträgergruppen operieren in Reichweite – doch selbst diese sind nicht immun gegen hochmobile, landgestützte Seezielflugkörper. Dazu kommen elektronische Störmanöver, über die zuletzt über 1000 Schiffe berichteten – insbesondere GPS-Ausfälle, die auf iranische Aktivitäten zurückgehen könnten.
Reedereien reagieren mit Vorsicht
Die Reedereien Maersk und Hapag-Lloyd halten bislang an ihren Routen durch die Straße von Hormus fest, betonen aber ihre Flexibilität. „Wir beobachten die Lage fortlaufend und können bei Bedarf unsere Routen anpassen“, heißt es. Auch alternative Umschlaghäfen und Umleitungen über das Rote Meer werden in Notfallplänen geprüft.
Wie teuer wird es für Europa?
Der Brent-Ölpreis stieg nach den jüngsten Angriffen kurzfristig auf über 75 Dollar, liegt aber weiterhin unter der 100-Dollar-Marke. Die Deutsche Bank rechnet im Eskalationsfall mit Preisen von bis zu 120 US-Dollar pro Barrel. Das würde auch Europa treffen: höhere Energiepreise, mehr Inflation, gebremstes Wachstum.
„Die derzeitige Konjunkturerholung würde abbrechen“, warnt Robin Winker, Chefvolkswirt Deutschland bei der Deutschen Bank. Besonders betroffen wären kleine Golfstaaten wie Bahrain, die keine Pipelines ins Rote Meer besitzen.
Gibt es Alternativen zur Straße von Hormus?
Einige Länder haben vorgesorgt:
- Saudi-Arabien kann Öl über Pipelines ans Rote Meer leiten.
- Die VAE verfügen über eine Pipeline nach Fujairah am Golf von Oman. Dort lassen sich täglich bis zu 2,6 Millionen Barrel verschiffen – etwa 70 % der nationalen Produktion.
Andere Länder wie Katar, Kuwait oder Bahrain haben jedoch keine nennenswerten Alternativrouten. Eine längerfristige Sperrung der Straße von Hormus würde daher empfindliche Engpässe verursachen.
„Die schiere Menge an Öl, die über die Straße von Hormus exportiert wird, und die begrenzten Möglichkeiten, sie zu umgehen, bedeuten, dass jede Unterbrechung der Ölströme enorme Folgen für die weltweiten Ölmärkte hätte“, warnt die IEA. Bei längerer Unterbrechung seien signifikante Preisanstiege unvermeidlich und Engpässe schnell zu erwarten.
Rückblick: Frühere Drohungen
Bereits 2014 – in einem vergleichsweise ruhigeren Umfeld – hatte die iranische Regierung mit einer Sperrung der Straße von Hormus gedroht. Damals blieb es bei Ankündigungen. Auch damals verwiesen Militärexperten auf die strategischen Risiken einer tatsächlichen Blockade und auf den wirtschaftlichen Schaden für den Iran selbst. (mit Material der dpa)
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